16.06.2025
PETER LONGERICH: UNWILLIGE VOLKSGENOSSEN - Wie die Deutschen zum NS-Regime standen
Eine Stimmungsgeschichte

Der Autor, Hans Peter Longerich, im Februar 1955 in Krefeld geboren, ist ein Historiker und Experte für die Geschichte des Nationalsozialismus. Longerich studierte Geschichte, Soziologie und Staatsrecht an der Georg-August-Universität in Göttingen, wechselte dann an die Ludwig-Maximilians-Universität München. Hier wurde er im Juli 1983 mit einer Arbeit zur Pressearbeit des Auswärtigen Amtes und Ribbentrop promoviert. An der Universität der Bundeswehr in München habilitierte er sich 1999 mit einer Gesamtdarstellung der nationalistischen Judenverfolgung. Nach einer Gastprofessur am Fritz Bauer Institut in Frankfurt/Main lehrt Longerich am Royal Holloway and Bedford New College der Universität London. Bekannt wurde er durch seine Biografien zu Heinrich Himmler, Joseph Goebbels und Adolf Hitler, sie wurden in mehrere Sprachen übersetzt.

In seinem Buch stellt Peter Longerich die Frage: »Waren die Deutschen nach 1933 ein Volk von Jublern und Ja-Sagern?« Das gängige Urteil ist, die Deutschen waren von der Aufbruchstimmung ergriffen worden, haben sich sehr schnell den neuen Machthabern angeschlossen. Dieses Bild der Deutschen stellt der Autor mit seiner aktuellen Arbeit in Frage.

Am 30. Januar 1933 ernannte der alternde Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler von der NSDAP zum Reichskanzler, der übernahm an diesem Tag die Führung einer Koalitionsregierung aus NSDAP und dem nationalkonservativen Bündnis aus Deutschnationale Volkspartei und dem Stahlhelm. Damit begann die Eroberung des öffentlichen Raumes, der Druck auf Sozialdemokraten, Kommunisten, Gewerkschafter und Liberale nahm zu. Die Reichstagswahl am 5. März 1933 waren vom Reichspräsidenten Paul von Hindenburg nur angesetzt worden, um Hitler eine parlamentarische Mehrheit zu sichern. Im Wahlkampf verübten Mitglieder der NSDAP im verstärkten Maße Übergriffe auf die SPD, KPD und Liberale. Trotz der politischen Unterdrückung der Opposition brachte die Wahl nicht die parlamentarische Mehrheit für die NSDAP.

Für sein Buch wertete Longerich die offiziellen Stimmungsberichte von Februar 1933 bis April 1945 systematisch aus. Diese Berichte vom Sicherheitsdienst (SD), Gestapo, Justiz und der NSDAP, sind fast vollständig erhalten. Dazu Berichte aus dem Ausland und Berichte der Sopade. Teile des SPD-Parteivorstands konnten im Frühjahr nach Prag, später nach Paris emigrieren, setzten als Sopade ihre Arbeit fort. Aus den überbrachten Darstellungen wurden die unzensierten aus dem NS-Deutschland zusammengefasst, erreichten Auflagen zwischen 500und 1700 Exemplaren.

Der Historiker kommt zum Ergebnis, die Deutschen standen gar nicht so geschlossen hinter der NSDAP, wie die bisherige Forschung immer den Eindruck machte. In 13 Kapitel, von: »Machtergreifung«, die Gleichschaltung der »Öffentlichkeit« durch die Nationalsozialisten bis zum Kapitel 13 »Untergang« kommt Peter Longerich zum Ergebnis, dass es eine große Unzufriedenheit im NS-Reich gab. Somit erweist sich die »Volksgemeinschaft« als Mythos der NSDAP. Lesenswert
khw


PETER LONGERICH: UNWILLIGE VOLKSGENOSSEN
Wie die Deutschen zum NS-Regime standen -
Eine Stimmungsgeschichte

Siedler Verlag in der Penguin Random House Gruppe, München 2025
637 Seiten - 34,00 EUR