04.04.2025
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Christian Brückner (Hg.): «Spreche morgen Rolf»
Ein jüdisches Familienschicksal zwischen Berlin und Basel 1933 bis 1945
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Der Herausgeber von »Spreche morgen Rolf« Christian Brückner ist emeritierter Professor für Privatrecht an der Juristischen Fakultät in Basel. Als Testamentsvollstrecker von Reinhard Frank, dem einzigen Überlebenden der Familie Frank, konnte Christian Brückner die Korrespondenz von Anita Frank und ihrer Mutter Hilde Frank für das Buch verwenden.
Hilde Frank wird 1932 Witwe und zieht mit ihren Kindern Anita und Reinhard von Leipzig nach Berlin. Nach dem Pogrom am 9. November 1938 wird sich Hilde Frank der aktuellen Gefahr durch die Nazis bewusst. Da sie nicht gemeinsam Deutschland verlassen können, versucht die Mutter ihre Kinder im September 1939 mit einem Kindertransport nach England zu bringen. Das scheitert durch den Kriegsausbruch. Die Mutter rettet sich durch eine Heirat mit einem Schweizer, lebte ab 1940 verheiratet in Basel. Die Kinder Anita, 1921 geboren, und ihr Bruder Reinhard, 1928 geboren, leben in Berlin bei wechselnden Pflegeeltern. Anita beginnt im Mai 1940 am Jüdischen Krankenhaus eine Ausbildung als Krankenschwester. Später ist auch der Bruder im Krankenhaus tätig.
Christian Brückner schreibt in seiner Einleitung: «Frei von Selbstinszenierung und -rechtfertigung, die die im Nachhinein verfasste Erinnerungsliteratur zu weilen prägt, teilt Anita der Mutter in schlichten Worten das Alltägliche und das Schreckliche mit, dessen Augenzeuge sie war. Das Schreckliche musste sie verschlüsseln, um die Zensur nicht zu provozieren, und sie vermied jede Dramatisierung, um die Mutter nicht unnötig zu ängstigten».
Ihr Abschiedsgruß «Spreche morgen Rolf», den sie aus Theresienstadt am Vortag ihrer Weiterdeportation nach Auschwitz an ihre Mutter in Basel richtet und als Titel des vorliegenden Buches gewählt wurde, war die Chiffre, mit der sie ihren letzten Gang ankündigte, zu ihrem Geliebten, der zwei Jahre zuvor deportiert worden und ihrer Meinung nach nicht mehr am Leben war. Der Gruß an die Mutter schloss mit den Worten «Bleib tapfer! - Innigst Anita».
Von Auschwitz wird Anita ins Konzentrationslager Bergen-Belsen gebracht, wo sie noch vor der Befreiung durch britische Truppen am 15. April 1945 umkommt. Der Bruder Reinhard überlebt die Lager und kann beim Herannahen der Roten Armee im Januar 1945 fliehen. Kenntnis vom frühen Tod seiner Mutter erhält er erst nach Kriegsende, als er nach Basel einreisen durfte. Er überließ die Korrespondenz der Mutter seinem Nachlassverwalter mit dem Anliegen der Herausgabe. Ein Buch, das den Leidensweg der Juden in der NS-Diktatur eindrucksvoll dokumentiert. Lesenswert.
khw
Christian Brückner (Hg.): «Spreche morgen Rolf»
Ein jüdisches Familienschicksal zwischen Berlin und Basel 1933 bis 1945
Christian Merian Verlag, Basel 2025
230 Seiten - zahlreiche Fotos - 29,00 EUR
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