04.04.2025
Wolfgang Asholt: Das lange Leben der Avantgarde – Eine Theorie-Geschichte

Der Autor Wolfgang Asholt, geboren 1944, war von 2013 bis 2023 Honorarprofessor am Institut für Romanistik der Humboldt-Universität in Berlin. Er begann als Professor für romanische Literatur an der Universität Osnabrück, wechselte dann nach Potsdam. Der Herausgeber von Jahrbüchern zu Frankreich ist seit 2014 Mitglied des Conseil von Cerisy. Hier wurde im Kolloquium der Nouveau Roman für die Literatur und die French Theory gegründet, dass sich auf die postmodernen, literarischen und sozialen Theorien bezieht.

In seinem Buch »Das lange Leben der Avantgarde« zieht Wolfgang Asholt eine Bilanz seiner langjährigen Forschungen. Er zeichnet die Geschichte der Avantgarde vom Anfang bis in die Gegenwart nach. Dabei unterscheidet er die historische Avantgarde von der nach dem Zweiten Weltkrieg sich entwickelnde Neo-Avantgarde. Im ersten Teil geht es um die historischen Avantgarden, im zweiten Teil von der (Neo-) Avantgarde zum Kunst-Aktivismus.

Im Vorwort heißt es: Zugleich totgesagt und allgegenwärtig ist die Avantgarde ein Phänomen, man könnte auch sagen ein Phantom, das dank seiner Omnipräsenz (fast) jede Wirkung verloren und dank seiner immer wieder neuen Beerdigungen eine Art virtuelles ewiges Leben erworben zu haben scheint. Wenn das Erbe der Avantgarde noch »heute bitter nötig« ist, auch wenn es eigentlich nicht für eine Nation vereinnahmt werden kann, dann scheint es merkwürdigerweise noch immer Wert zu besitzen, auch wenn die Avantgarde damit zum »klassischen Erbe« erhoben und somit zugleich dementiert und desavouiert wird. Wenn es eine Gegenwartsrelevanz der Avantgarde gibt, würde sie sich in dieser Hinsicht von Bewegungen und Strömungen der Kunst und Literatur im 20. Jahrhundert, aber auch andere Epochen, signifikant unterscheiden. Diese besitzen einen mehr oder weniger klaren Anfang und ein entsprechendes Ende, sie befinden sich nicht in einem Sarkophag, aus dem sie wieder wachgeküsst werden müssten oder können.

Es ist auch diese Ausnahme-Situation der Avantgarde, die dazu geführt hat, dass man von einem Jahrhundert der Avantgarden oder einem Zeitalter der Avantgarden sprechen kann, auch wenn die zeitlichen Grenzen der beiden Werke einmal das gesamte 20. Jahrhundert und das andere Mal nur dessen ersten Hälfte umfassen.

Wenn es sich bei der Avantgarde tatsächlich um ein Jahrhundertphänomen handelt, so situiert sich die Avantgarde in spezifischer Weise im Verhältnis zu Modernismus und Moderne, auch zur Postmoderne. Dies liegt auch daran, dass diese Avantgarde in vielleicht noch höherem Maße als die Moderne in dem Sinne unvollendet ist, weil sie Fragen aufgeworfen hat, die bislang keine Antworten erhalten haben. Die Avantgarde ähnelt insofern der Moderne, als Avantgardebewegungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts als Neo-Avantgarden oder Transavantgarden (dis-)qualifiziert werden, und damit in mancher Hinsicht einem »unvollendeten Projekt« oder einer zweiten Moderne zu sprechen.

Eine wissenschaftliche Arbeit, die sich an Personen wendet, in die kulturell arbeiten.
khw


Wolfgang Asholt: Das lange Leben der Avantgarde
Eine Theorie-Geschichte

Wallstein Verlag, Göttingen 2024
474 Seiten - 39,00 EUR