08.04.2025
TOVE DITLEVSEN: VILHELMS ZIMMER – ROMAN

Die Autorin Tove Irma Margit Ditlevsen, geboren 14. Dezember 1917 in Kopenhagen, hier am 7. März 1976 durch Suizid verstorben, war eine dänische Schriftstellerin von Prosa und Lyrik, sie war für ihre Autofiktion bekannt. Darunter versteht die Literaturwissenschaft einen Text, in dem eine Figur eindeutig als der Autor erkennbar ist. Obwohl in Dänemark sie bekannt war, erlangte sie erst nach ihrem Tod internationale Anerkennung, als ihre Texte in andere Sprachen übersetzt wurden. Ihr Leben war von einer schwierigen Mutter-Tochter-Beziehung, dem Bestreben nach sozialem Aufstieg, ihrer vier gescheiterten Ehen und der Doppelrolle als Hausfrau, Mutter und Schriftstellerin geprägt. Das spiegelt sich in ihren Arbeiten wider. Heute gehört ihr Werk zur Pflichtlektüre im Schulunterricht in Dänemark.

Der Roman »Vilhelms Zimmer« von Tove Ditlevsens ist das Vermächtnis der Autorin, bevor sie starb. Sie schildert den Zerfall der Ehe der Schriftstellerin Lise Mundus und ihrem Mann Vilhelm Mundus, einem Zeitungsredakteur. Der Ehemann gönnt seiner Frau weder das Talent noch den Erfolg. Es ist eine Hassliebe, die mit der Scheidung endet für Lise Mundus wie bereits vorher in der Psychiatrie. Trotz dieser Erfahrung will sie es noch einmal versuchen, dazu gibt sie Anzeige in der Zeitung auf, für die ihr Ex arbeitet: »Nachdem ich einer langen, unglücklichen Ehe entkommen bin, fühle ich mich einsam in dieser Welt, in der alle einen Partner haben. Ich bin52 Jahre alt, 172 cm groß, schlank und blond. Ich habe eine 8-Zimmer-Wohnung in Kopenhagen und ein schönes Sommerhaus. An Geld fehlt es mir nicht, aber an Liebe. Ich habe mir einen Namen in der Literatur gemacht, aber was hilft das, wenn ich einen treuen und liebevollen Freund im passenden Alter vermisse, am liebsten jemanden mit Auto.«

Erfolg der Kontaktanzeige ist, dass der 20 Jahre jüngere Kurt einzieht in das Zimmer von Vilhelm. Der Neue leistet Lise und ihrem Sohn Gesellschaft. Obwohl sich Lise mit ihrem geschiedenen Mann nicht sehen, das Buch ist ein Dialog zwischen den Beiden. So liegt über Lises neuem Verhältnis der Schatten ihre Ehe mit Vilhelm.

Im Nachwort schreibt die Übersetzerin Ursel Allenstein: »Obwohl man Tove Ditlevsen bisweilen vorwarf, sich nicht genug für Frauenrechte zu interessieren, zeigt sich in Vilhelms Zimmer einmal mehr, wie präzise sie verschiedene Formen männlicher Tyrannei beobachten und beschreiben konnte. Fast alle der im Roman versammelten Ehefrauen, Geliebten, Hausangestellten und Prostituierten leben in einer fatalen Abhängigkeit. Neben dem ständigen Psychoterror leiden sie unter unfreiwilligen Schwangerschaften, versuchten Vergewaltigungen und körperlicher Gewalt. Doch nicht nur Lise, die ohnehin nur schwer bezähmbar ist, sondern auch ihre hingebungsvoll-häusliche Gegenspielerin Mille, emanzipieren sich vom Narzissten Vilhelm, als dieser den Bogen überspannt.« Lesenswert.
khw


TOVE DITLEVSEN: VILHELMS ZIMMER
Aus dem Dänischen und mit einem Nachwort
von Ursel Allenstein

Aufbau Verlag, Berlin 2024
206 Seiten - 22,00 EUR