19.03.2025
GRZEGORZ ROSSOLINSKI-LIEBE: STEPAN BANDERA Leben und Kult

Der Autor Grzegorz Rossolinski-Liebe, geboren 1979 in Zabrze, Polen, ist eine in Berlin lebender deutsch-polnischer Historiker, forscht über den Holocaust, Nationalismus, Antisemitismus und Faschismus in Mittel- und Osteuropa. Von 1999 bis 2005 studierte er Kulturwissenschaften mit Schwerpunkt osteuropäische Geschichte und Kulturgeschichte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder. Seine Doktorarbeit über Stepan Bandera und dessen politischen Kult schrieb er an der Universität of Alberta in Kanada und der Hamburger Universität, hier verteidigte er 2012 seine Arbeit zu Stepan Bandera. Nach verschiedenen Universitäten in Europa ist der promovierte Historiker seit 2022 hält er Vorlesungen an der Freien Universität Berlin, spezialisiert auf die Geschichte des Holocaust, Faschismus und Antisemitismus. Seine wissenschaftliche Biografie über Stepan Bandera in deutscher Übersetzung wird er im Frühjahr 2025 veröffentlichen. Die englische Ausgabe gab es bereits 2014, 2019 folgte sie in Polnisch, Ende 2021 die Bandera Biografie in Ukrainisch und in Russisch. Im Vorwort der deutschen Ausgabe heißt es: »Infolge des russischen Kriegs gegen die Ukraine sind Stepan Bandera und die ukrainische Geschichte schlagartig zu einem aktuellen Thema geworden. In Deutschland wurde dies unter anderem an der Debatte um den ukrainischen Botschafter Andrij Melnyk deutlich, der Banderas Verantwortung für die von der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) und der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) begangenen Verbrechen öffentlich leugnete.« Mit seinen Äußerungen zeigt Botschafter Melnyk seine Verachtung zu den Menschenrechten und der Demokratie. Auch fehlt ihm jegliche Empathie für die Bandera Opfern begangen von OUN und UPA. Der ukrainische Botschafter besuchte in München Banderas Grab legte einen Kranz für die Ukraine nieder.

Stepan Bandera wird am 1. Januar 1909 in Staryj Uhryniw, Galizien, Östreich-Ungarn geboren und am 15. Oktober 1959 in München von einem KGB-Agenten ermordet. In Polen war Bandera bereits 1934 wegen der Ermordung des polnischen Innenministers Bronislaw Pieracki zu Haft in einem Gefängnis verurteilt. Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges kommt er wieder frei. Seine Spuren finden sich danach in Lemberg, das seit der ersten Teilung Polens bis 1918 zur Habsburger Monarchie gehört, ist ab dem 1. November 1918 Teil der neu gegründeten Westukrainischen Volksrepublik. Im Polnisch-Ukrainischen Krieg wird es bereits in den Tagen vom 21. bis zum 22. November 1918 nach heftigen Kämpfen von Polen erneut besetzt. Bei dem Pogrom gegen die jüdische Bevölkerung bis zum 24. November werden 64 Juden getötet, andere verletzt und ausgeraubt. Nachgewiesen ist, dass dafür polnische Offiziere und Soldaten verantwortlich sind. Dieser Gewaltakt erschütterte das bis dahin harmonische Zusammenleben. Mit dem Hitler-Stalin-Pakt kommt die Stadt im September 1939 bis 1941 als Lwow in die Ukrainische Sowjetrepublik. Nach dem Überfall Hitler-Deutschlands auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 ändert sich erneut ihre Staatlichkeit. Die da Sowjets die Stadt verlassen übernehmen ukrainischen Nationalisten Lwow. Ab dem 30. Juni übernimmt die 1. Gebirgs-Division unterstützt vom Baulehrbataillon »Die Brandenburger« gemeinsam mit dem ukrainischen Freiwilligenbataillon »Nachtigall«. Noch am selben Tag kam es mit der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN) dabei ist Bandera, zum Pogrom. Durch die ukrainischen Milizen und der deutschen Einsatztruppen C starben 4000 Juden. Nahezu alle Synagogen wurden zerstört.

Insgesamt wurden während der Besetzung durch die Deutschen in Lemberg und Umgebung 540.000 Menschen durch Konzentrations- und Gefangenenlagern umgebracht, davon 400.000 Juden und etwa 130.000 aus Lemberg. Die OUN hat in Lemberg die Polizeigewalt. Gemeinsam mit Mitgliedern der OUN rief Bandera die unabhängige Ukraine aus, verweigerte die Forderung der Deutschen die Rücknahme der Unabhängigkeit. Von der Gestapo verhaftet ist er ab Juli 1941 bis 1944 Ehrenhäftling im Konzentrationslager Sachsenhausen. So überlebt er, während zahlreiche seiner Anhänger von der SS erschossen werden. Nach dem Ende des Krieges bleibt Bandera in Deutschland, in der Sowjetunion wird er zum Tod verurteilt.

Mit seiner Arbeit über Stepan Bandera zeigt Grzegorz Rossolinski-Liebe, dass Geschichte nicht einseitig beliebig interpretierbar ist. Noch immer spielt Bandera, dass trotz seines Bekenntnisses zum Nationalsozialismus noch in der Ukraine eine Rolle. Das zeigen nach ihm benannte Straßen und Denkmale. Auch in der Bundesrepublik nimmt man heute Stepan Bandera als eine umstrittenste historische Person zur Kenntnis. Dass es dazu kommt, ist das Anliegen des Autors mit seiner Biografie über Bandera, um damit die Geschichte vom Nationalismus, Faschismus, Antisemitismus und Gewalt aufzuklären. Auch widerspricht er mit seiner Darstellung der ukrainisch-nationalen Sicht auf die Geschichte des Landes. Damit räumt der Band mit dem Kult, seinem Mythos und Rituale auf. Lesenswert.
khw


GRZEGORZ ROSSOLINSKI-LIEBE: STEPAN BANDERA
Leben und Kult

Wallstein Verlag, Göttingen 2025
574 Seiten – zahlreiche Fotos - 46,00 EUR