09,10.2023
Jean-Philippe Kindler: Scheiß auf Selflove, gib mir Klassenkampf – Eine neue Kapitalismuskritik

Der Autor Jean-Philippe Kindler, geboren 1996 in Duisburg, ist Satiriker und Moderator. Seine Bühnenprogramme haben zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter auch den Prix Pantheon und den deutschen Kabarettpreis. Keiner schafft es wie er, das Politische scharf, humorvoll aber auch berührend darzustellen. Mit seinem Bühnenprogramm «Klassentreffen» tourt er durch die Bundesrepublik.

In der Einleitung schreibt Kindler: «Wenn man in politischen Kontexten das Recht auf ein gutes Leben für alle fordert, wird man für diesen Utopismus gerne freundlich belächelt. Als «linke Soziallyrik» werden solche Programme bezeichnet, gar als «Wunschzettelpolitik». Die konservative Diffamierung einer Politik des guten Lebens als naiv bis dümmlich, stets verbunden mit dem Verweis auf eine in Wahrheit ja viel kompliziertere Realität, trägt Früchte: Linke sind sehr gut darin zu sagen, was sie schlecht finden und trauen sich kaum mehr zu sagen, was sie gut finden, wofür sie streiten und was sie erkämpfen wollen. Es ist diese utopische Verlegenheit, die es Konservativen und Neoliberalen so einfach macht, linke Konzepte, die auf die Maximierung des Gemeinwohls zielen, rhetorisch abzuwerten und ins Reich ideologischer Phantasmen zu verbannen. Eine klassische Diskursschablone ist dabei der Verweis auf die vermeintliche «Alternativlosigkeit» kapitalistischer Produktions- und Gesellschaftsverhältnisse. Ich erlebe dies bereits sehr häufig auf Podiumsdiskussionen, wenn meine Kritik an kapitalistischen Produktionsverhältnissen damit gekontert wird, dass mein Gegenüber fragt: «Und was ist die Alternative? Sozialismus? Da wissen wir doch, dass das nicht funktioniert!».

Auf diese Weise werden kapitalistische Verhältnisse im öffentlichen politischn Diskurs naturalisiert, der gesellschaftliche Konsens ist der folgende: «Ja, der Kapitalismus hat seine Tücken, aber das System ist immer noch das Beste, was wir haben.»

In sechs Kapiteln - von „Armut repolitisieren!“ bis „Das gute Leben repolitisieren!“ - begründet Jean-Philippe Kindler seine neue Kapitalismuskritik. Der Autor schreibt im letzten Kapitel: „Mein Buch möchte meine Sorgen um diejenigen zum Ausdruck bringen, die aufgrund ihrer sozioökonomischen Lebensumstände in ihrem Zugriff auf das gute Leben radikal eingeschränkt werden und dafür stets selbstverantwortlich gemacht werden. Diese Gruppe von Menschen ist dieser Text in erster Linie gewidmet, verbunden mit dem freundlichen Hinweis an die gesellschaftliche Linke, dass ebenjene Gruppe deutlich größer ist als das eigene Plenum im regionalen Alternativen Zentrum.“

Bei seiner Suche geht Jean-Philippe Kindler nach neunen gesellschaftlichen Konzepten hart gegen sich selbst vor, gegen seine Genration und die Linken. Eine fundierte Kapitalismuskritik.
khw


Jean- Philippe Kindler: Scheiß auf Selflove, gib mir Klassenkampf
Eine neue Kapitalismuskritik

Rowohlt Taschenbuch Verlag, Hamburg 2023
159 Seiten – Oktav – 12,00 EUR