27.08.2023
Kim Sebastian Todzi: Unternehmen Weltaneignung
Der Woerman-Konzern und der deutsche Kolonialismus 1837-1916

Der Autor Kim Sebasttian Todzi, Jahrgang 1981, ist der Wissenschaftliche Koordinator der Forschungsstelle «Hamburgs (post)koloniales Erbe Hamburg und die frühe Globalisierung», Forschungsschwerpunkte: Verflechtungsgeschichte Westafrikas und Nordeuropas, Geschichte des globalen Kapitalismus, postkoloniale Erinnerungskulturen, an der Hamburger Universität.

Endlich wird die Hamburger Kolonialgeschichte wissenschaftlich aufgearbeitet. In der Stadt sind noch zahlreiche Hinweise Häuser und Denkmale vorhanden. Etwas Geschichte: Die Deutschen Kolonien wurden in den 1880er Jahren und nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg gemäß dem Versailler Vertrag 1919 abgetreten. Otto von Bismarck nannte die Kolonien „Schutzgebiete“, damit sollte der deutsche Handel geschützt werden. Bei Beginn des Ersten Weltkriegs hatte das Kaiserreich nach England und Frankreich an Fläche das drittgrößte Kolonialreich. Es umfasste Teile heutiger Staaten der Volksrepublik China, Burundi, Ruanda, Tansania, Namibia, Kamerun, Gabun, Republik Kongo, Zentralafrikanische Republik, Tschad, Nigeria, Togo, Ghana, Papua-Neuguinea dazu mehrere Inseln im Westpazifik und Mikronesien.

Das deutsche Kolonialreich entstand im 19.Jahrundert vor allem auf Betreiben von Hamburger aber auch Bremer Kaufleuten, Bankiers und Reedereien. Diese zuerst privaten Gebiete vor allem in Afrika wurden langsam in Verwaltung und militärischen Schutz dem am 1. Januar 1871 entstandenen Deutschen Reich zugeschoben. Einer der Akteure war der Hamburger Kaufmann Adolf Woermann (1847 – 1911) der nicht nur Reeder, auch Truppentransporteur, auch ein großer politischer Akteur für die Kolonien.

Der Historiker Kim Sebastian Todzi wertete für seine Arbeit über Adolf Woermann auch das Archivaus die heute als C. Woermann GmbH. & Co KG existiert, ihren Sitz im Afrika-Haus in der Hamburger Großen Reichenstraße der Firma hat, aus. Im Eingang des Hauses steht ein afrikanischer Krieger mit Spehr, das hintere Haus ziert ein afrikanischer Elefant aus Kacheln. Die Firma wirbt im Web: „Mit technischem Know-how in Afrika zuhause. Seit 1837“. Es wundert nicht, dass die Firma noch immer in Afrika Niederlassungen unterhält in Ghana, Nigeria und Angola. So lebt der deutsche Kolonialismus mit Namen Woermann weiter. Auch der Sohn von Adolf Woermanns Carl führte das Kolonialgeschäft in Afrika zu einem der größten deutschen Handelshäuser.

Dem Unternehmen gehörte auch die Woermann-Linie für den Handel, aber auch zum Transport der kaiserlichen Truppen zum Schutz der Kolonien und der Unterdrückung und Disziplinierung der Afrikaner. Besonders der Kampf gegen die Herero und Nama in den Jahren 1904 bis 1908. Die Woermann-Linie, die Inhaber Wörmann und Mitarbeiter ermöglichten den Völkermord der kaiserlichen deutschen Schutztruppen in Deutsch-Südwestafrika. Um den im Januar 1904 begonnenen Aufstand der Herero zu beenden, entsandte das Kaiserreich 15.000 Soldaten mit der Woermann-Linie nach Deutsch-Südwestafrika.

Unter dem Befehl von Generalleutnant Lothar von Trotha wurde der Aufstand bis August 1904 niedergeschlagen. Der größte Teil der Herero floh in die wasserlose Omaheke-Wüste. Trotha liess die Wüste abriegeln, verjagte auch die Afrikaner von den wenigen Wasserstellen, so dass tausende der Herero und ihr Vieh verdursteten. Sein Vorgehen gilt in der Wissenschaft als erster Völkermord des 20. Jahrhunderts. Angesichts des Vorgehens der Schutztruppe begann der Aufstand der Nama. Dieser Aufstand wurde mit Unterwer-fungsverträgen der Nama am 31. März 1907 beendet. Im Anschluss wurden die Herero und Nama in Konzentrationslager interniert. Noch immer wurde dieses Verbrechen an Herero und Nama von der Bundesrepublik nicht gesühnt. Verdient hatte die Woermann-Linie an dem deutschen Kolonialkrieg 26,5 Millionen Mark.

Das Beispiel Woermann zeigt, wie der Deutsche Kolonialismus ein Segen fürs Kapital war, aber ür die Afrikaner mehr als ein Schrecken. Heute zeigt das Beispiel Niger, was geschieht, wenn sich ein Land endgültig vom Kolonialismus befreien will. Lesenswert.
khw


Kim Sebastian Todzi: Unternehmen Weltaneignung
Der Woermann-Konzern und der deutsche Kolonialismus 1837 – 1916

Wallstein Verlag, Göttingen 2023
503 Seiten – 38,00 EUR