01.04.2023
Hessisches Landesmuseum Darmstadt: Urknall der Kunst – Moderne trifft Vorzeit

Im Vorwort des Katalogs heißt es: «Wo liegt der Ursprung der Kunst? Dieser Frage ging der deutsche Ethnologe Leo Frobenius zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach. Über zwei Dutzend Expeditionen führten ihn und seine Forschungsteams zu den Höhlenmalereien Europas, Afrikas und Asiens. Zu seinen Teams gehörten auch Künstlerinnen und Künstler, die über 8000 gemalte Nachschöpfungen dieser sensationellen Bilderwelten anfertigten. Diese Werke der Sammlung Frobenius entführen uns in eine Welt 20000 Jahre vor unserer Zeitrechnung. - Für die Künstler der Moderne war die Entdeckung der Höhlenmalereien ein Schlüsselerlebnis. Viele ließen sich von diesen Uranfängen der Kunst inspirieren. Sie übernahmen abstrahierende Darstellungsformen und stilistische Mittel der Felsbilder und waren überzeugt, dem anthropologischen Kern der Kunst auf diese Weise näherzukommen. Alfred H. Barr, Gründungsdirektor des Museum of Modern Art in New York, erkannte diese Verbindung zwischen Moderne und Vorzeit und stellte die Sammlung Frobenius 1937 erstmals zusammen mit Werken der zeitgenössischen Kunst aus. Nach dem Tod Frobenius’ 1938 gerieten die Felsbilder für viele Jahre fast in Vergessenheit. Erst 2016 wurden erstmals wieder einige Arbeiten in einer Ausstellung des Berliner Martin-Gropius-Baus gezeigt. Seitdem generiert sich ein erneutes Bewusstsein für den einzigartigen Stellenwert des Frankfurter Bestands als Vermittler dieser immobilen, prähistorischen Kunst, die in vielen ihrer gestalterischen Elemente der Gegenwart überraschend nahe ist.»

Die erste Ausstellung mit prähistorischer Felsenkunst fand 1937 im Museum of Modern Art (MoMA) in New York statt. Es war die Idee von Männern, dem visionären Gründungsdirektor Alfred H. Barr des MoMA und des deutschen Ethnologen Leo Frobenius. In Kooperation mit dem Frobenius-Institut der Goethe-Universität Frankfurt am Main geht die Ausstellung in Darmstadt der künstlerischen Auseinandersetzung der Moderne mit Vorzeit wie in New York 1937 nach. So werden Felsbildkopien in den Dialog mit Werken von Joan Miró, Paul Klee, Pablo Picasso, Hans Arp, Willi Baumeister und André Masson gesetzt. So schlägt die Ausstellung den Bogen zur Kunst von Joseph Beuys, der sich selbst als „wiedergeborener Höhlenzeichner“ bezeichnete. Noch immer sind heute die Höhlen von Altamira und Lascaux faszinierende Ausflugsziele, auch wenn die Originale aus konservatorischen Gründen nicht mehr betreten werden können. Von beiden Höhlen dreidimensionale Kopien erstellt, so wird zum Erhalt wichtiger Kulturgüter beigetragen. Ein wichtiges Zeichen ist, dass die Felsbildersammlung des Frobenius-Instituts im November 2021 von der UNESCO für das Weltdokumentenerbe nominiert wurde.

Nur eine großzügige Leihbereitschaft deutscher und internationaler Museen, der Bereitwilligkeit von Privatsammlern aus dem In- und Ausland ist es zu verdanken, dass diese Ausstellung im Hessischen Landesmuseum Darmstadt realisiert werden konnte. Ihnen gilt unser herzlichster Dank, denn ohne Unterstützung wäre unser Projekt nur Idee geblieben.
khw


Hessisches Landesmuseum Darmstadt: Urknall der Kunst – Moderne trifft Vorzeit
bis zum 25. Juni 2023

Herausgeben von Martin Faass, Direktor des Hessischen Landesmuseums Darmstadt und Jessica Schmidt, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums

Verlag E. A. Seemann, Leipzig 2023
160 Seiten – alle Werke – 35,00 EUR