01.04.2023
Tom Segev: „Jerusalem Ecke Berlin“ – Erinnerungen

Der Autor Tom Segev ist ein israelischer Historiker, wurde am 1. März 1945 in Jerusalem geboren, wird der losen Vereinigung „Neue Historiker“ zugeordnet, die mit einer Neubewertung der Geschichte des Landes und des Zionismus begonnen haben. Seine Eltern flohen 1933 aus Deutschland und ließen sich im August 1935 in Palästina nieder. Der Vater Heinz Schwerin war Architekt, die Mutter Ricarda Meltzer Fotografin. Beide waren Kommunisten und Atheisten, sie hatten sich am Bauhaus in Dessau kennengelernt, doch die Leitung hatte sie 1932 wegen „kommunistischer Umtriebe“ von der Schule verwiesen. Heinz Schwerin starb 1948 im israelischen Unabhängigkeitskrieg als Kämpfer der Hagana an den Folgen eines Sturzes.

Tom Segev studierte Geschichte und Politikwissenschaften an der Hebräischen Universität Jerusalem, wurde an der Boston University mit einer Arbeit über die KZ-Kommandanten promoviert. In den 70er Jahren war er in Bonn Deutschlandkorrespondent der israelischen Tageszeitung Ma´ariv. Arbeitet heute für das israelische Leitmedium „Haaretz“.

In seinem Buch 1967 über den „Sechstagekrieg“ – auf Deutsch erschienen – lautet seine These: aus rein militärischer Sicht hat es keine existenzielle Bedrohung für Israel gegeben. Zweifel hat Tom Segev, ob die arabischen Nachbarn bereit waren, Israel anzugreifen. Sein jüngstes Buch ist „Jerusalem Ecke Berlin“.

Wie immer in seinen Büchern, benutzt Segev auch hier autobiografische Quellen: Briefe, Tagebücher, Aufzeichnungen. So entfaltet er die Geschichte seiner Familie. Es sind deutsch-jüdische Biografien zwischen Weimarer Republik, Hitler-Faschismus und dem Aufbau in Palästina nach zionistischen Bedingungen. Seine kommunistischen Eltern bekennen sich dazu, jetzt wird bekannt, die Mutter ist keine Jüdin. Aus Palästina schreibt der Vater kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg Krieg einem Freund in Berlin, sie wollen zurückkehren – nach Berlin. Aber dazu kommt es nicht. Zwiespältig ist das Leben des Sohnes. Zu Hause spricht Tom mit der Mutter Deutsch, auf der Straße in der Regel Hebräisch. Später wird sein Nachname hebräisch.

Deutschland lernte Tom Segev während seinen Jahren als Korrespondent der Zeitung „Ma´ariv“ in den 70er Jahren in Bonn kennen. Die Bonner Jahre treffen auf die Berliner Republik heute nicht mehr zu. Tom Segev berichtet über Zeitgeschichte, das ist es, was das Buch als lesenswert auszeichnet.
khw


Tom Segev: „Jerusalem Ecke Berlin“ – Erinnerungen

Siedler Verlag, München 2022
416 Seiten – 32,00 EUR