08.04.2023
HANS-HERMANN KLARE: AUERBACH – EINE JÜDISCH-DEUTSCHE TRAGÖDIE
ODER WIE DER ANTISEMITISMUS DEN KRIEG ÜBERLEBTE

Der Autor Hans-Hermann Klare, geboren 1956, war lange Jahre Autor und leitender Redakteur beim Magazin „stern“ in Hamburg, schrieb Reportagen vom Ende der Apartheid in Südafrika, über den Völkermord in Ruanda und den Aufstand der Indigenen in Mexiko. Sein Porträt über den US-Kriegs-Fotografen James Nachtwey war die Grundlage für den Oscar nominierten Dokumentarfilm „War Photographer“. Seit Jahren engagiert er sich für die UNO-Flüchtlingshilfe und seit 2016 Vorsitzender des Kuratoriums der Stiftung.

Hans-Herrmann Klares hat mit seinem aufwühlenden Buch „Auerbach“ einen Beitrag über einen Überlebenden eines Konzentrationslagers geschrieben, der sein Engagement auch für andere Nazi-Opfer im Nachkriegsdeutschland mit dem Leben bezahlte. Das zeigt, wie zahlreich die Nazijuristen nach dem Krieg weitermachten konnten.

Zu danken ist den Historikern, die geholfen haben, das Gerichtswesen von ehemaligen Nazis wie Mitläufern zu säubern, die bis in die 70er Jahre in der bundesdeutschen Justiz arbeiten konnten. Nazi-Opfer hatten, die als Juden ins Exil gehen mussten oder das KZ überlebten, keine Chance Recht in der Bundesrepublik zu bekommen.

In seinem Buch «Auerbach» erzählt Hans-Hermann Klare die tragische Biografie von Philipp Auerbach. Der in eine gutbürgerliche jüdische Familie 1906 in Hamburg geborene Philipp überlebte die Nazijahre in Belgien und danach als Häftling im KZ Auschwitz und Buchenwald. Er nahm sich 1952, zermürbt von der noch dort vorhandenen Täterjustiz, mit einer Überdosis von Medikamenten das Leben. Detailliert schildert Klare die Aktivitäten, berichtet von seiner Mitgliedschaft im SPD-Schutzbund „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“. Häftling im Konzentrationslager stand er Häftlingen bei und gab Überlebenshilfe. Nach 1945 übernahm er zuerst in Düsseldorf, später auch in München Verantwortung für die NS-Opfer, erkämpfte für die Überlebenden Entschädigungen für ihre Haft im Konzentrationslager. Häufig hielt Auerbach dabei nicht immer den korrekten Weg ein.

Im Nachwort schreibt Michael Brenner, Professor für jüdische Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München: «Dieses Buch ist keine posthume Rehabilitation Auerbachs, sondern porträtiert seinen Protagonisten in all seinen Widersprüchlichkeiten. Es verdeutlicht gleichzeitig die zahlreichen Kontinuitäten vor und nach 1945. Wer es gelesen hat, wird schnell realisieren, dass es die berühmte »Stunde Null« so nicht gegeben hat. Alte Eliten wurden schnell zu neuen Eliten, altes Denken zu neuem. Ein Auschwitz-Überlebender besaß selbst in einem Staatsamt nur so viel Einfluss, wie ihm von den Politikern alten Schlags und den Richtern mit einem den wandelnden Zeiten angepassten Parteibuch gewährt wurde. Der Fall Auerbach erinnert dabei weniger an die Dreyfus-Affäre in Frankreich des späten 19. Jahrhunderts als an das tragische Schicksal des Hofjuden Joseph Süß Oppenheimer im Württemberg des 18. Jahrhunderts. So machtlos wie diese scheinbar so mächtige Figur von einem Tag auf den anderen wurde, so fiel auch Auerbach neben seiner eigenen Hybris den Intrigen seiner Gegner zum Opfer.» Lesenswert.
khw


HANS-HERMANN KLARE: AUERBACH
EINE JÜDISCH-DEUTSCHE TRAGÖDIE
ODER WIE DER ANTISEMITISMUS DEN KRIEG ÜBERLEBTE

Aufbau Verlag, Berlin 2022
471 Seiten – illustriert – 28,00 EUR