14.10.2021
Sittes WeltWilli Sitte Die Retrospektive

Im Kunstmuseum Moritzburg in Halle/Saale findet zum ersten Mal seit 1986 wieder eine umfassende Werkschau mit Arbeiten von Willi Sitte statt, dazu ist ein opulenter Katalog von 536 Seiten erschienen. Der 3,5 Kilogramm schwere Band lässt aus Willi Sittes Leben nichts aus. Die mehrjährigen Recherchen für die Ausstellung „Sittes Welt“ haben auch Eingang in den gleichnamigen Katalog gefunden, der ein Spiegelbild der Ausstellung in Halle ist.

Willi Sitte, am 28. Februar 1921 in Chrastava/Tschechoslowakei geboren, gestorben am 8. Juni 2013 in Halle/Saale, war der bekannteste, aber zugleich der umstrittenste Maler der Deutschen Demokratischen Republik. Der Katalog zeigt das zwischen 1930 und seit der Wiedervereinigung entstandene Œuvre des Künstlers. Der Band behandelt auch sein aktives Wirken als Kulturpolitiker der SED und als Präsident des Verbandes Bildender Künstler (VBK) der DDR. So ist der Katalog auch eine sachliche Auseinandersetzung über sein Leben wie Werk.

Willi Sitte war einer der wichtigsten Repräsentanten im Kunstsystem der DDR. Seine Entwicklung zwischen Autonomie und Moderne, seinem Engagement für den sozialistischen Realismus dokumentieren zahlreiche seiner Werke aus öffentlichen und privaten Sammlungen in der Ausstellung und Katalog. Über 250 Werke zeigen die Ausstellung und der Katalog, davon sind zahlreiche Arbeiten, die anlässlich seines 100. Geburtstags zum ersten Mal das Kunstmuseum Moritzburg/Halle gezeigt werden.

Im Zentralorgan der SED in Halle „Freiheit“ schreibt Willi Sitte am 2. Februar 1963 u. a.: »Ich bekenne mich voll und ganz zu den Beschlüssen meiner Partei; denn nur von einem solchen parteilichen Stadtpunkt aus kann es möglich sein, über noch offene, noch nicht geklärte Probleme zu streiten, aber immer in dem Sinne, der Kunst in der DDR stärken zu helfen. Für die Erfüllung dieser Aufgabe will ich meine ganze Kraft aufwenden, die volle Entfaltung und endgültige Durchsetzung des sozialistischen Realismus in der Kunst mit meinen Möglichkeiten zu helfen.«

Der reich bebilderte Katalog zeigt aber auch, wie der parteiliche Künstler, politisch geprägt von seiner Familie, sich nicht immer der DDR anpasste. Diese Haltung von Willi Sitte ist noch heute bemerkenswert. Im Herbst 1944 desertierte Willi Sitte als Soldat in Italien aus der Hitler Armee, schloss sich der Resistenza in Montecchio Maggiore, Provinz Vicenza in Venetien, bis zur Kapitulation der Hitler Wehrmacht am 29. April 1945 an. Am 15. November 2008 verleiht ihm dafür die Stadt Montecchio Maggiore die Ehrenbürgerschaft der Stadt.

Der mit einem hohen Anspruch erarbeitete und gestaltete Katalog »Sittes Welt« wird auf lange Zeit das Grundlagenwerk zu Willi Sittes Kunst bleiben. – Lesenswert.
khw


Sittes WeltWilli Sitte Die Retrospektive
Band 23 der Schriften
für das Kunstmuseum Moritzburg Halle/Saale

Herausgeben von Christian Philipsen
Thomas Bauer-Friedrich u. Paul Kaiser
E. A. Seemann Verlag in der A. E. Seemann Henschel GmbH,
Leipzig 2021
536 Seiten – reich illustriert – 45,00 EUR