31.08.2021
Cerstin Gammelin: DIE UNTERSCHÄTZTEN – Wie der Osten die deutsche Politik bestimmt

Die Autorin Cerstin Gammelin, 1965 in Freiburg/DDR aufgewachsen absolvierte an der TH in Carl Marx Stadt - heute Chemnitz – ein Studium der Werkstofftechnik. Nach der deutschen Vereinigung arbeite sie als Journalistin ür den Deutschen Fachverlag, der Fachzeitung »Energie & Management«, »DER SPIEGEL« und für die »Financial Times Deutschland«. Dann wurde sie Korrespondentin der »Süddeutschen Zeitung« in Brüssel, arbeitet heute bei für das Blatt als Wirtschaftsredakteurin in Berlin. Nun ist ihr drittes Buch »DIE UTERSCHÄTZTEN« im Verlag Econ Berlin erschienen.

Im Vorwort schreibt sie: »Dies ist ein persönliches Buch. Ein Buch, von dem ich nicht gedacht habe, dass ich es mal schreiben werde. Über Ostdeutschland? Echt jetzt?« An einer anderen Stelle schreibt die Autorin: »Noch heute berührt mich diese irre ur-demokratische Kundgebung am 4. November 1989, als vom Geheimdienstchef Markus Wolf bis zur Schriftstellerin Christa Wolf jeder, der reden wollte, auf einen Kleinlaster der Marke Barkas klettern konnte und sich das Mikrophon nehmen; als völlig Unbekannte anderen Unbekannten, Sympathisanten oder Gegnern zuhören und gemeinsam darum rangen, wie es weitergehen sollte. Auf dem Alexanderplatz in Ost-Berlin schien es möglich zu sein, eine neue Gesellschaft bauen zu können, mit Reisefreiheit, freien Wahlen selbstbestimmt. Man hätte die Welt umarmen können.«

Nur die Zeit der Anarchie war kurz. Der gemeinsame Besuch vom Ministerpräsidenten der Deutschen Demokratischen Republik Hans Modrow und dem Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland Helmut Kohls am 19. Dezember 1989 in Dresden veränderte alles.

Das Rednerpult stand vor der im Februar 1945 zerstörten Frauenkirche der Stadt. Eigentlich sollte Kohl hier Blumen niederlegen, dazu kam es aber nicht. Vor dem Rednerpult eine unüberschaubare Masse an DDR-Bürger mit schwarz-rot-goldenen Fahnen die »Einheit, Einheit« und »Helmut, Helmut« riefen, das vom TV in beide Staaten parallel gesendet. Für mich war das das Zeichen, die Eigenständigkeit der DDR war kein Thema mehr, es ging mit schnellen Schritten auf Vereinigung beider Staaten zu. Nur wurden auf einmal wurden 100000 Akademiker der DDR, für die der Staat die Ausbildung zahlte, einfach in die Arbeitslosigkeit entlassen.

Bereits vor dem 3. Oktober 1990 hatte der Kapitalismus in der untergegangenen DDR mit seinem Sozialismus das Fürchten gelernt - die westdeutsche Ordnung war der Sieger. Diese Entwicklung wurde befördert am 1. Juli 1990 - eingeführt wurde an diesem Tag die D-Mark als Zahlungsmittel in die noch bestehende DDR. Das war der Sargnagel für alles, was einmal DDR war.

Ein Buch für junge Menschen, die nicht große Kenntnis zur deutsch-deutschen Geschichte haben. Heute bestimmt der Westen diese.
khw


Cerstin Gammelin: DIE UNTERASCHÄTZTEN
Wie der Osten die deutsche Politik bestimmt

Econ ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage, Berlin 2021
302 Seiten - 22,99 EUR