25.04.2021
FELIX HOLTERMANN: GENIALE BETRÜGER – Wie WIRECARD Politik und Finanzsystem bloßstellt

Der Autor Felix Holtermann hat in Köln die Journalistenschule besucht und VWL und Politik studiert, war beim WDR Wirtschaftsredakteur. Heute ist er der Finanzkorrespondent des Handelsblatts.

Die insolvente Wirecard AG wurde 1999 mit Sitz in Aschheim bei München als Zahlungsabwickler und Finanzdienstleister gegründet. Wirecard bot Lösungen für den elektronischen Zahlungsverkehr, Risikomanagement und die Herausgabe und Akzeptanz von Kreditkarten an. Die Tochtergesellschaft Wirecard Bank AG verfügt über eine deutsche Banklizenz. Am 25. Juni 2020 meldete Wirecard Insolvenz an, nachdem bekannt geworden war, dass 1,9 Milliarden Euro fehlten. Der langjährige Chief Executive Officer (CEO) Markus Braun trat zurück, wurde später verhaftet. Der frühere Chief Operating Officer (COO) Jan Marsalek tauchte ab und wird von der Polizei mit einem internationalen Haftbefehl wegen Betrugs gesucht.

In seinem Buch arbeitet Felix Holtermann den Fall Wirecard, den wohl größten Wirtschaftsskandal der Bundesrepublik in all seinen Facetten auf. In nur wenigen Jahren wurde vom Zahlungsabwickler im blau-weißen Bayern, der als Finanz-Start-up begann ein internationaler Technologieriese. Auf einmal war Wirecard mehr wert als die gewinnlose Deutsche Bank, konnte selbst die Commerzbank aus dem Dax werfen. Das Management von Wirecard wurde hofiert, die bundesdeutsche Politik, selbst die Große Koalition in Berlin geben dem Unternehmen aus Aschheim bei München Schützenhilfe. Bundesminister, selbst die Kanzlerin wird bei der Anbahnung neuer Geschäfte eingespannt. Als bekannt wird, dass 1,8 Milliarden € an Bargeld fehlen, bricht das Unternehmen Wirecard innerhalb einer Woche wie ein Kartenhaus zusammen. Bis dahin schaute man weg und behauptet, dass alles in Ordnung ist. Betrogen um ihr Geld wurden die Kleinleger. Lag der Wert der Aktie wie im September 2018 einmal bei 200 Euro, so hat sie heute keinen Wert mehr.

Bereits eine erste Kritik an Wirecard mit Manipulationsvorwürfen gab es im Frühjahr 2008. Auch die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) warf Wirecard eine falsche wie irreführende Bilanzierung vor. Die von Wirecard beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Ernst & Young (EY) konnte für das keine Manipulation feststellen. Nicht zur Kenntnis genommen wurden in Berlin die Beiträge der Financial Times aus London zu Wirecard. Auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) fand keine Vorwürfe.

Seit Oktober 2020 tagt der 3. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, um die Vorkommisse des Dienstleisters Wirecard zu untersuchen. Bei ihren Befragungen hatte weder Bundesministerwirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) noch der Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) von den Vorgängen bei Wirecard nichts gewust , wiesen Anschuldigungen zurück. Anders die Bundeskanzlerin Merkel, sie verteidigte ihren Einsatz bei einer China-Reise 2019.Das Unternehmen Wirecard hatte bei der Reise keine Sonderbehandlung, sagte die CDU-Politikerin bei ihrer Anhörung im Untersuchungsausschutz am 23.April 2021 nur einen Tag später nach der Befragung von Scholz. Es sei normal, so die Kanzlerin, dass sich die Bundesregierung bei bilateralen Kontakten für die Interessen der deutschen Wirtschaft einsetze, betonte Frau Merkel abschließend.

Kritisch und lesenswert beschreibt Felix Holtermann, den Fall Wirecard und seine »Genialen Betrüger« Markus Braun und Jan Marsalek.
khw


FELIX HOLTERMANN: GENIALE BETRÜGER
Wie WIRECARD Politik und Finanzsystem bloßstellt

Westend Verlag, Frankfurt/Main 2021
320 Seiten – 22,00 EUR