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Ein Spendabler Pleitegeier
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Die HSH Nordbank erlässt einem Hamburger Reeder eine halbe Milliarde seiner Schulden
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Die HSH Nordbank (HSH steht für Hamburgische-Schleswig-Holsteinische) entstand am 2. Juni 2003 durch Fusion von Hamburger Landesbank und der Landesbank in Schleswig-Holstein. Im Jahr 2007 wollte die Bank an die Börse gehen, doch diese Pläne wurden mit der Finanzkrise obsolet. Danach wurde die Bank von Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen wie von der Staatsanwaltschaft begleitet. Am 13. Oktober 2009 wurde ein Verlustgeschäft von 500-Millionen Euro bekannt, mit der die Bank an den Rand der Insolvenz geriet. Ab Juli 2013 mussten sich sechs Vorstandsmitglieder, die 2007 im Amt waren wegen „Omega 55“ vor der Großen Wirtschaftsstrafkammer 8 des Landgerichts Hamburg für Veruntreuung von Bankvermögen in einem besonders schweren Fall verantworten. Der Prozess endete am 9. Juli 2014 mit einem Freispruch. Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil Revision beim Bundesgerichtshof ein. Der Bundesgerichtshof entsprach der Revision und hob am 12. Oktober 2016 das Urteil auf, verwies das Verfahren zur erneuten Verhandlung an der Landgericht, aber zu einer anderen Kammer. |
In dieser Zeit platzte die Nachricht, dass die HSH Nordbank einem Hamburger Reeder eine halbe Milliarde Schulden erlässt. Empfänger war Dr. Bernd Kortüm. Noch Wochen davor konnte der Reeder viele nette Sätze über sein Wirken in der Hansestadt Hamburg lesen. Die vom Verband deutscher Reeder herausgegebene Zeitschrift «Deutsche Seeschiffahrt» beschreibt den Hamburger Unternehmer als einen „fitten 74-jährigen“, dem die turbulenten Stürme in der Schifffahrt nichts anhaben können. Es hat den Anschein, der Mann steckt die Krise einfach ohne Blessuren weg. Auf den Bildern im mehrseitigen Bericht lächelt der weißhaarige Dr. Kortüm. Der Reeder berichtet dem Blatt, dass er gerade eine zweite Refinanzierungsrunde „unter Dach und Fach gebracht hat“. Dabei haben seine Banken ihn sehr hilfreich unterstützt und sich sehr vorbildlich verhalten.
Es dauerte nur wenige Tage, dann brachten Zeitungen in Norddeutschland, von der „Hamburger Morgenpost“ bis zum „Abendblatt“, auch die „Kieler Nachrichten“ die Nachricht „HSH Nordbank erlässt Großreeder in Hamburg eine halbe Milliarde Euro“. Die Kieler Zeitung berichtete, dass er gerade auf Kosten der Steuerzahler entschuldet, für 8,75 Millionen Euro eine 40-Meter-Segeljacht erworben hat. Auf dieser Jacht haben bis zu zwölf Gäste und eine sechs Mann Crew Platz. Für Flauten, wenn kein Luftzug sich auf See regt, verfügt das Segelschiff über einen 600-PS-Motor. Das garantiert, dass jeder Hafen pünktlich angelaufen werden kann.
Selbst der FDP in Kiel war das des Guten einfach zuviel. Dem Fraktionschef der Liberalen, immer den Unternehmen zugetan, schimpfte darüber, dass sich ein Unternehmer auf Kosten der Allgemeinheit sanieren lässt. Mit dieser Summe hätte Hamburg eine zweite Elbphilharmonie bauen können. Selbst die in Kiel amtierende |
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Finanzministerin Monika Heinold, Grünen-Partei, die sich immer verhaltend äußert, sagte, sie sehe auch dass der Unternehmer Kortüm moralisch in der Pflicht steht, seine Schulden zu begleichen. Aber das wird wohl nicht geschehen.
Nur Kortüms Norddeutsche Reederei H. Schult, als GmbH & Co KG organisiert, wird jene 547 Millionen Euro, die ihr die HSH Nordbank erlassen hat, mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch in Jahrzehnten nicht erwirtschaften. Trotz einer gut gefüllten Privatschatulle des Sylt-Liebhabers, des exzellenten Golfspielers und Hochseeseglers ist diese Summe mehrere Nummern zu groß. Der Fall Kortüm ist ja auch nur einer von vielen bei den Reedern. Auch gibt es hier noch viel größere und noch wesentlich teurere Probleme.
Branchenkenner schätzen, dass der Boom mit anschießender Dauerkrise der internationalen Frachtschifffahrt die Steuerzahler Deutschlands und Kleinanleger etwa 40 Milliarden Euro kosten wird. Das Geld, das die Banken in den Jahren vor der Finanzkrise in immer mehr und immer teurere und größere Schiffe investierten. Es waren etwa 100 Milliarden Euro, die Banken damals in einen Markt stopften, der allen Beteiligten enorme Gewinne versprachen. Im Jahr 2008 gerieten die Finanzhäusern und auch die internationale Handelsschifffahrt in eine Krise, aus der die beteiligten Banken und Reeder bis heute nicht herausgefunden haben. So steht die gesamte Branche bei den Steuerzahlern knietief in der Kreide. Auch die Banken von Niedersachsen, von Sachsen-Anhalt und Bremen haben große Summen in die Schifffahrt investiert, werden davon wohl haben, nichts wiedersehen. Am schlimmsten aber trifft es die Hamburger und Schleswig-Holsteiner mit ihrer HSH Nordbank.
Die Liste derjenigen Reedereien, deren Schulden entweder von der HSH Nordbank selbst oder von der Mitte des Jahres aus ihr heraus gelösten „Bad Bank“ namens Portfolio Management AöR gestundet oder „umstrukturiert“ werden, ist prominent besetzt. Noch bemühen sich die Landesregierungen die Namen als Geschäftsgeheimnis zu wahren.
Wenn man die Reedereien in die Pleite gehen lässt, so argumentieren die Finanzbehörden der Länder, würde der Schaden noch viel höher ausfallen. Bei Kortüm, so heißt es in Hamburg, wären es statt 500 Millionen Euro mindestens eine Milliarde Euro, die auf Nimmerwiedersehen weg wären. Auch für die „Columbia Shipmanagement“ des Hamburger Unternehmers Heinrich Felix Leopold Schoeller gilt ähnliches
Der Reeder ist ein Liebhabers schöner Hotels, großer Yachten wie günstige Steuersätze. Der Spross einer der traditionsreichen Unternehmer-Dynastien, hat ihren Sitz im zypriotischen Limassol - die Kreditlinie bei der HSH Nordbank soll nach Informationen norddeutscher Zeitungen bei mehr als einer Milliarde Euro liegen. Auch Reeder Schoeller steht derzeit in Verhandlungen über eine „Restrukturierung“ seiner Schulden. Wie für Kortüm so gilt auch für Schoeller - sein Schuldenberg ist „too big too fail“. Damit auch zu groß, um ihn mitzuschleppen. Die kriselnde HSH Nordbank muss als Folge der diversen staatlichen Rettungsversuche laut EU-Beschluss spätestens im Jahr 2018 zu großen Teilen privatisiert sein. Erfolgt keine Privatisierung wird die Bank abgewickelt. Das wird nach Schätzung der Landesregierungen in Hamburg und Schleswig-Holstein weitere Verluste bedeuten. |
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Die HSH Nordbank wurde im vergangenen Jahrzehnt mit einem blindwütigem Expansionsdrang zum größten Schiffsfinanzierer der Welt“ aufgebläht. In ganz kurzer Zeit wurde daraus Norddeutschlands größte Geldvernichtungsmaschine. Um die Bank verkauffähig zu machen, erfolgte im ersten Schritt die Ausgliederung fauler Kredite in eine Bad-Bank. Mit einem zweiten Schritt sollen noch bestehende Schiffskredite in Höhe von zwölf Milliarden Euro auf acht Milliarden reduziert werden. Wegen einer fehlenden Nachfrage kann das nur durch einen Schuldenschnitt erfolgen.
Vor fünf Jahren hatte die Hamburger Reeder Bertram Rickmers die Idee, mit börsennotierten Anleihen der deutschen Schiffsfinanzierung neuen Schwung zu verleihen. Das galt als Pioniertat. Die Schifffahrtskrise schlug damals mit voller Wucht zu. Fracht- und Charterraten stürzten ab, nach ersten Kreditausfällen kündigten heimische Banken an, ihre Schiffsfinanzierungsabteilungen abzubauen. Das bis dahin erfolgreiche sogenannte KG-Modell, nämlich die Zusammenfassung des Kapitals von Kleinanlegern in sogenannten Schiffsfonds funktionierte nicht mehr. Die Branche suchte nach einem Ausweg.
Reeder Rickmers kam mit seinen Anleihen, die feste Zinsen von acht Prozent und mehr versprachen, als Finanzierungsquelle für den Kauf und Betrieb von Schiffen zur rechten Zeit. Auch der Verband Deutscher Reeder lobte das Projekt als "innovativ". Doch weil die Schifffahrtskrise länger als gedacht dauert und das Schifffahrtsgeschäft seit mittlerweile acht Jahren kaum mehr Gewinne abwirft, zeichnet sich ab: Rickmers wird für seinen damals gezeigten Mut nicht belohnt. Die an die Ertragskraft der Schifffahrtsunternehmen gekoppelten Anleihen sind in Gefahr. Im September wurde bekannt, dass sich die in Singapur gelistete Schiffseigentumsgesellschaft Rickmers Maritime Trust (RMT) angesichts der angespannten Schifffahrtssituation derzeit weder in der Lage sieht, 179,7 Millionen US-Dollar an Krediten sowie die anstehenden Zinskupons noch die im Mai kommenden Jahres fällige Kapitalrückzahlung für die mit 8,45 Prozent verzinste Anleihe zu bedienen.
Um die drohende Liquidation zu vermeiden, überredete RMT die Anleihe-Gläubiger zu einem Schuldenschnitt und einer Umwandlung ihrer Anleihen mit einem Nominalvolumen von 60 Millionen Singapur-Dollar in Wandelanleihen. In einer zweiten Krisenversammlung im November stimmten die Anteilseigner einer Verlängerung der Restlaufzeit für weitere 40 Millionen Singapur-Dollar bis November 2023 sowie einem Zinsverzicht zu.
Bereits im Mai hatte Die Ratingagentur Creditreform die Bewertung der Anleihe von B- auf CCC herabgestuft. Sie begründete den Schritt mit den anhaltend schwierigen Marktbedingungen in der Containerschifffahrt und einer entsprechend schwächeren operativen Ergebnisentwicklung der Rickmers Gruppe. Im August gab es wieder eine negative Prognose: "Wir gehen davon aus, dass zur Stabilisierung des Unternehmens weitere Kapital- oder Restrukturierungsmaßnahmen erforderlich werden", teilte Credireform mit. Das blieb nicht ohne Auswirkung: An der Börse hat sich der Kurs der Rickmers- Anleihe Innerhalb eines Jahres von 100 Euro auf zuletzt 22 Euro verbilligt. "Bei einem Kursverfall von 75- 80 Prozent ist das aber ein Fall für sehr risikofreudige Anleger, die auf eine Erholung am Containermarkt setzen", sagt Thomas Wybierek, Schifffahrtsanalyst der NordLB. "Diese Erholung sehe ich aber im Moment nicht." |
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Das Geschäftsjahr 2015 hat es mit einem Konzernverlust von 135 Millionen Euro abgeschlossen. Allein im ersten Halbjahr 2016 kam ein Minus von 131,5 Millionen Euro zustande. Alle wichtigen Kennzahlen, Umsatz, Gewinn und Eigenkapitalquote zeigen abwärts. Aufgrund der ausbleibenden Erholung der Fracht- und Charterraten erwartet die Rickmers Holding Umsatz und Gewinn deutlich unter dem Vorjahresniveau, so steht es im Halbjahresbericht.
Insbesondere die Abnahme des Eigenkapitals ist bedenklich. Sie könnte zu einem Verstoß gegen die Kreditverträge mit den Banken führen. Deshalb hat das Management im vergangenen Jahr einen Plan zur Erweiterung und Stärkung des Eigenkapitals beschlossen. Doch aufgrund der schwachen Entwicklung des allgemeinen Geschäfts ist die Umsetzung dieses Plans in diesem Jahr "unwahrscheinlich", wie Rickmers selbst zugibt. Aufhorchen ließ zuletzt die Meldung, dass die geplante Zusammenlegung des Schifffahrtsgeschäfts von Bertram Rickmers mit dem seines Bruders Erck geplatzt ist. Nach der gegenseitigen Prüfung der Bücher gab man diesem Unterfangen keine Chance.
Eine Besserung ist nicht in Sicht. Wie alle Charterreeder leidet die Rickmers Gruppe darunter, dass sie in der Schifffahrt in der zweiten Reihe steht. Kommt es zu Überkapazitäten am Transportmarkt, versuchen Linienreeder wie die Hamburger Hapag-Lloyd, MSC und CMA CGM ihre eigenen Schiffe auszulasten - und geben Charterschiffe wieder zurück. Benötigen sie aufgrund von Engpässen bei eigenen Schiffen zusätzliche Frachter, werden diese zu niedrigen Preisen angemietet.
Hinzu kommt, dass die Rickmers Gruppe in ihrer Flotte vor allem kleine Frachter mit einer Kapazität von bis zu 4500 Containern führt. Diese haben in der Schifffahrtskrise besonders gelitten und können mit ihren Einnahmen kaum die Betriebskosten decken. Im Rickmers Maritime Trust befinden sich überwiegend Schiffe der sogenannten Panamax-Klasse mit einer Länge von maximal 294 Metern und einer Breite von 32 Metern. Deren Vorteil war, dass sie in der Vergangenheit gerade noch so durch den Panamakanal passten. Doch seitdem dieser ausgebaut wurde, haben diese Schiffe ihr wichtiges Alleinstellungsmerkmal verloren.
Wie Reederkollege Kortüm ist auch Bertram Rickmers ein guter Kunde der HSH Nordbank. Auch bei ihm würde es bei einer „Restrukturierung“ um Hunderte von Millionen Euro gehen. Außenstände, für die Hamburg und Schleswig-Holstein seit 2009 in einer Höhe von bis zu zehn Milliarden Euro bürgen. Die Illusion, dass von diesem Geld etwas übrig sein könnte, haben selbst die HSH-Nordbänker mittlerweile bereits aufgegeben.
Bertram Rickmers wollte sich zu seinen Finanzierungsplänen auf Anfrage nicht äußern. Immerhin: Das „Handelsblatt“ berichtete Ende Oktober, dass der Rickmers Holding auch in Krisenjahren Millionenbeträge privat entnommen wurden, inzwischen auf einen Großteil dieser Zahlungen verzichte. „Lizenzgebühren“ für das Verwenden des Familiennamens „Rickmers“, würden derzeit ebenso wenig einkassiert wie ein Teil seiner Vergütung als Aufsichtratschef.
Wie schlecht es Rickmers mit seinen 120 Frachtern tatsächlich geht, lässt sich auch an einer Anleihe ablesen, die die Holding im Jahr 2013 an den Markt gebracht hatte, um sich frisches Kapital zu beschaffen. Das Papier, ausgestattet mit einem atemberaubenden Zinssatz von 8,875 Prozent, konnte in der vergangenen Woche zu einem Fünftel des Ausgabewertes gekauft werden. Am Ende der Laufzeit, in eineinhalb Jahren, soll man angeblich 100 Prozent zurückbekommen. Daran glauben auf den Finanzmärkten offenbar nur sehr wenige.
Deutlich wahrscheinlicher ist es, dass es den Rickmers-Gläubigern ähnlich ergeht wie dem norddeutschen Steuerzahler oder jenen Leidensgenossen, die eine vergleichbare Anleihe des ebenfalls zu dem Traditionsunternehmen zählenden Rickmers Maritime Trust (RMT) in Singapur gezeichnet haben. Sie wurden bereits in diesem Jahr vor die Wahl gestellt, entweder auf einen Teil ihrer Ansprüche und auf fällige Zinsen zu verzichten oder die Insolvenz und damit einen Totalverlust ihres Geldes in Kauf zu nehmen.
Ob die Rettungspläne für diesen asiatischen Teil des Rickmers-Imperiums mit seinen 16 nach eigenen Angaben „modernen Containerschiffen bester Qualität“ der leider nicht mehr sonderlich nachgefragten Größe für 3450 bis 5060 Standardcontainer, aufgehen, ist unklar. Zu einer Krisensitzung am vergangenen Mittwoch erschienen zu wenige Anteilseigner. Die Versammlung war nicht beschlussfähig. Im Advent möchte man es noch mal versuchen. Womöglich sind die Anleger in der Vorweihnachtszeit ja besonders spendabel.
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