15.03.2021
Herausgegeben von Lu Seegers: 1968 – Gesellschaftliche Nachwirkungen auf dem Lande

Können die Auswirkung von 1968 in dem ländlichen Raum und den Kleinstädten wirklich abgeschätzt werden?

Der gleichnamige Sammelband zusammengetragen von Lu Seegers macht den Versuch, liefert neue Aspekte von Bewegung, Aufbruch und Beharrung. In ihrem Vorwort schreibt die Herausgeberin: »Anlässlich des 50. Jubiläums von 1968 im Jahr 2018 wurde wieder deutlich: Kaum eine andere Jahreszahl ist so ikonenhaft aufgeladen wie das Jahr 1968. 1968 steht nicht nur für eine politische Bewegung, die vor allem im Protest gegen den Vietnamkrieg in Westeuropa und den USA ihr einigendes Motiv fand und in erster Linie von jungen Menschen getragen wurde. Zugleich steht das Ende der 1960er Jahre für einen Aufbruch in Alltagskultur und Lebensstil, der bis in die heutige Zeit prägend ist und mit Begriffen wie Partizipation, Mitbestimmung und Emanzipation verbunden wird. Dabei wirkte 1968 stets polarisierend: Die einen betrachten die »Studentenrebellion« als wichtigen Anstoß für die Liberalisierung der Bundesrepublik, die bereits in den 1950er Jahren begann. Die anderen, darunter jüngst auch Rechtspopulisten, sehen in 1968 hingegen die Zerstörung eines bis dahin intakten politischen und moralischen Wertesystems. Was in den Debatten allerdings überhaupt keine Rolle spielte, waren die gesellschaftlichen Auswirkungen von 1968 auf den ländlich-kleinstädtischen Raum. Der Blick blieb auf die großstädtischen Protestzentren gerichtet, während die Provinz als statisch angesehen wurde, zumal hier die Uhren des kulturellen Wandels deutlich langsamer zu ticken schienen. Jüngste Forschungen zeigen allerdings, dass es in den nächsten Jahrzehnten in Norddeutschland, in Niedersachsen und im Schaumburger Land dazu kommt. Hierauf versucht »1968 «eine Antwort zu finden.

Das Buch geht auf eine Tagung zurück, die die Schaumburger Landschaft unter dem Titel »1968: gesellschaftliche Nachwirkungen auf dem Lande«, das in Kooperation mit dem Historischen Seminar der Leibniz Universität Hannover und dem Förderverein Ehemalige Synagoge Stadthagen e.V. in dem Kulturzentrum »Alte Polizei« in Stadthagen veranstaltet hat.

Das Buch hat die kulturellen Angleichungsprozesse zwischen Stadt und Land im Blick. Es zeigt sich, dass die mit »1968« verbundene Jugendrevolte sich auf eine veränderte Wahrnehmung in der Provinz stützte. Dabei waren Freiräume im ländlich-kleinstätischen Raum mitunter leichter zu bekommen als in den Großstädten, auch in den Universitätsstädten. Für die fünf Kapitel, von Struktur- und Kulturwandel auf dem Lande bis Alternative Lebensformen in Ost und West wurden 14 Beiträge ausgewählt.

Auch das ist eine Erkenntnis von »1968« - zahlreich sind die Linken und Alternativen vom Lande die als erste Generation Mitglied der Alternativ-Grünen-Partei werden und sich auch kommunal engagieren.
Lesenswert.
khw


Herausgeben von Lu Seegers: 1968
Gesellschaftliche Nachwirkungen auf dem Lande
SCHAUMBURGER LANDSCHAFT
Kulturlandschaft Schaumburg Band 23

Wallenstein Verlag, Göttingen 2020
341 Seiten – 22,00 EUR