27.01.2021
Marie-Louise Wolff: DIE ANBETUNG – ÜBER EINE SUPERIDEOLIOGIE NAMENS DIGITALISIERUNG

Die Autorin Dr. Marie-Louise Wolff leitet als Vorstandsvorsitzende die ENTEA AG, eine der großen Energieversorger der BRD in öffentlicher Hand. Als studierte Anglistin und Musikwissenschaftlerin hat in über 40 Jahren Erfahrungen in verschiedenen Positionen hierzulande gesammelt. Sie schreibt: »Das Digitale ist allgegenwärtig und wird in der Wirtschaft mit ganz besonderer Euphorie verbunden. Jedes Kleinstkind weiß heute, was ein Smartphone, und selbst meine achtzigjährige Mutter, was eine Skype-Konferenz ist. Meine Haltung zum Digitalen hat sich im vergangenen Jahrzehnt verändert, auch nach Besuchen im Silicon Valley, China und in Südkorea. Zuerst habe ich der Digitalisierung geradezu reformatorische Energie zugetraut, vor allem für die Wirtschaft. Denn klagen nicht ihre Protagonisten wie die Propheten einer sehr modernen Welt? Weniger Bürokratie, weniger Hierarchie, weniger Patriarchat - dafür mehr Demokratie, mehr Teilhabe, mehr Fortschritt.«

Von den Wünschen, über die Marie-Louise Wolff schreibt, ist nichts gekommen. Wohl gab es einige Erleichterungen, das hat aber gravierende Fehlentwicklungen nicht verhindern können. Die Digitalisierung hat heute den Bürger voll im Griff. Es sind die US-Monopolisten von Apple, Amazon, Facebook und Google die unsere persönlichen Daten wollen, ohne die kein Zugang ins Digitale möglich sind. Auch für Banküberweisungen, selbst für den Zugang zum Abo der Tageszeitung benötigen sie heute einen gesicherten Zugang.

Ich lese heute noch die Tageszeitung in gedruckter Form. Habe ein einfaches Handy, das der Verkäufer, die Telekom nicht auf alle technischen Funktionen überprüfte, mir wurde auf Nachfrage der Kaufpreis erstattet. Ich höre noch immer Nachrichten mit dem Radio, bin in keinem der »sogenannten sozialen Medien« gelistet - das Wort „sozial“ ist hier fehl am Platz, benutze weder Twitter noch WhatsApp, kein Spotify noch LinkedIn. Zum Leben benötige ich diese Dinge nicht.

Wenn ich mit öffentlichen Verkehrsmitteln fahre erlebe ich es immer wieder, dass Zugestiegene als erstes zum Smartphone greifen, um nachzusehen, ob sich einer gemeldet hat. Heute ist das Smartphone das Gerät, über das man sich mitteilt. Und Apple, Amazon und Co. nutzen unsere persönlichen Daten und verdienen mit dem Verkauf noch zusätzliche Milliarden. Die digitale Welt ist kein »Wunder« - ist ein hartes Geschäft.
Der Band ist empfehlenswert.
khw


Marie-Louis Wolff: DIE ANBETUNG
ÜBER EINE SUPERIDEOLOGIE NAMENS DIGITALISMUS

Westend Verlag, Frankfurt/Mai 2020
271 Seiten - 22,00 EUR