28.01.2021
Sönke Neitzel: DEUTSCHE KRIEGER – Vom Kaiserreich zur Bonner Republik – eine Militärgeschichte

Der Autor Sönke Neitzel, am 26. Juni 1968 in Hamburg geboren, ist ein deutscher Historiker mit dem Schwerpunkt Militärgeschichte. Von 2011/12 hatte er eine Professur für Modern History an der University of Glasgow, danach war Neitzel bis 2015 an der London School of Economics tätig. Am Historischen Institut der Universität Potsdam hat er heute den Lehrstuhl für Militärgeschichte/Kulturgeschichte der Gewalt.
Mit dem Band »DEUTSCHE KRIEGER« hat Sönke Neitzel eine Arbeit vorgelegt, die den Finger in die Wunde legt. Für den Autor gab es Kriegsverbrechen der Amerikaner in Afghanistan ebenso illegale Einsätze von Bundeswehrsoldaten auf dem Balkan, auch im Jugoslawien-Krieg, der vom damaligen FDP Außenminister Hans-Dietrich Genscher, dem die Form des Tito-Sozialismus in den Vielvölkerstaat Jugoslawien nicht passte.

Der Autor Sönke Neitzel enthüllt in seinem Buch zahlreiche Verbrechen, die deutsche Soldaten begangen haben. In seiner 800 Seiten Militärstudie untersucht er, stellt auch die Frage - was ein Offizier des Kaisers, der Nazi-Wehrmacht und heute als Zugführer im afghanischen Kunduz gemein haben. Gibt es seit dem Kaiserreich bis heute Kontinuität im militärischen Denken wie Handeln bis heute? Hat die Bundeswehr »demokratische Krieger« die es mit hochgerüsteten Gegnern aufnehmen können?

In der Einleitung schreibt Sönke Neitzel: »Die Wehrmacht ist in keiner Form traditionsstiftend für die Bundeswehr. Einzige Ausnahme sind einige herausragende Einzeltaten im Widerstand.« so Ursula von der Leyen am 3. Mai 2017 - als noch Verteidigungsministerin. Nur dazu gibt es von Frau v. d. Leyen keine Angaben. Ist es der 20. Juli 1944, der vom Bürgertum als ihr »Widerstand« okkupiert wird. Die Niederlage von Hitlers Armeen in Stalingrad hatte den seinen Angriffskrieg bereits entschieden. War der 20. Juli 1944 etwa die letzte Möglichkeit, den Besitzstand den man hatte, zu retten?

In seinem Resümee stellt Sönke Neitzel fest: »Die Niederlage von 1945 war total - moralisch und militärisch. Das Deutsche Reich hatte unvorstellbare Verbrechen begangen, war geschlagen, besetzt und geteilt. Was blieb, war der Mythos von der militärischen Professionalität (auch beim Spanischen Bürgerkrieg), der half, Millionen ehemaliger Soldaten (auch der SS) in die Bundesrepublik zu integrieren und etwas zu bewahren, auf das man glaubte, stolz sein zu können. Die Meistererzählungen erfüllten ihren Zweck, die Veteranen fügten sich weitgehend reibungslos in die neue Gesellschaft ein. Der Preis war eine verklärte Sicht auf die Vergangenheit: auf den verbrecherischen Charakter des Krieges ebenso wie auf den Zerfall der militärischen Professionalität in der zweiten Kriegshälfte. Dem kann ich nicht als im Juli 1938 geborener beipflichten, habe diesen Krieg mit allen seinen Schattierungen erlebt. Weiße Windeln auf der Leine wurden von Görings Tieffliegern als »sich ergeben angesehen und unter Feuer genommen«, so Ende April 1945 in Wintermoor an der Chaussee.

Sönke Neitzels »DEUTSCHE KRIEGER« bringen eine differenzierte Sicht auf 150 Jahre deutsche Militärgeschichte, die vom Kaiserreich bis zur heutigen Berliner Republik, nach Übernahme der Deutschen Demokratischen Republik. Ein paar mehr Seiten die zum Frieden hätten dem Buch gut angestanden.
khw


Sönke Neitzel: DEUTSCHE KRIEGER
Vom Kaiserreich zur Berliner Republik – eine Militärgeschichte

Ullstein Buchverlage, Berlin 2020
816 Seiten - zahlreiche Fotos sw. u. Farbe - 36,00 EUR