02.06.2023
Am 28. Mai verlor Spaniens Linke die Wahl




Rund 36,6 Millionen Menschen waren am Sonntag, 28. Mai, in Spanien zur Stimmabgabe aufgerufen. Gewählt wurden die Parlamente von zwölf der insgesamt 17 Regionen, dazu die Bürgermeister und Stadträte aller 8131 Kommunen. Gewählt wurde auch in den autonomen nordafrikanische Städten Ceuta und Melilla. Für Spaniens Premierminister Pedro Sánchez von der Partido Socialista Obrero Español (PSOE) wurde die Wahl ein Debakel, musste er zusehen, wie die Metropolen des Landes in die Hände der konservativen Partido Popular fallen. Dieses Erdbeben hatte keines der Umfrage-Institute vorhergesehen, selbst die Regierung hat mit diesem Wahlausgang nicht gerechnet. Noch am Wahlabend übernahm Sánchez persönlich die Niederlage der PSOE, kündigte einen Tag später vorgezogene Parlamentswahlen für den 23. Juli an, die erst für den Dezember des Jahres vorgesehen waren. Sánchez versucht mit diesem Vorstoß die Initiative zurückzugewinnen.

Aus einer aussichtslosen Position erkämpfte er sich in einer Urwahl am 21. Mai 2017 gegen die Ministerpräsidentin von Andalusien, Susana Díaz, und den ehemaligen Regierungschef des Baskenlandes, Patxi López, der Vorsitzt der Partei. Am 1. Juni 2018 wurde Sánchez, erstmals in der Geschichte der spanischen Demokratie per Misstrauensvotum zum Ministerpräsidenten gewählt, löste damit Mariano Rajoy von der konservativen Partido Popular mit 180 zu 169 Stimmen ab. Die Partei verfügte nur über 84 Sitze im Parlament, musste Sánchez auf die Duldung durch Unidos Podemos, PNV und weitere kleine Parteien setzen. Er ließ 2019 gleich zweimal wählen, konnte so die erste Koalitionsregierung der spanischen Demokratie mit Unidas Podemos bilden.

Für Pedro Sánchez, der als Hoffnungsträger für die Sozialdemokratie gilt, wurde die Wahl im Mai zum Denkzettel. Die größten Städte des Landes, wo sich die PSOE ihrer Anhänger sicher sein konnte, gingen an rechte Parteien. Weder in Madrid, Barcelona, Valencia, Sevilla, Zaragoza noch Málaga konnte die PSOE eine Mehrheit erhalten. Die Wahl zeigt, dass die konservative Partido Popular wieder im ganz Spanien erstarkte. Landesweit kommt sie auf mehr als sieben Millionen Stimmen, das sind 31,5 Prozent, Sánchez nur noch auf 28,1 Prozent. Nach der Mai-Wahl ist das Land deutlich in zwei Blöcke geteilt wie nie zuvor.

Die Niederlage der PSOE beschränkt sich nicht nur auf die Großstädte. Künftig können auch in den Regionen Arágon, La Rioja, Extremadura, in der Region Valencia und den Balearen die Konservativen regieren, wo es vorher die PSOE war. Nun kommt es darauf an, wie es die Partido Popular mit der profaschistischen VOX hält. Präzedenzfälle für solche Bündnisse gibt es bereits: In der Region Kastilien-León regiert die PP seit 2022 mit der VOX in einer Koalition, in Andalusien lässt sie sich von ihr tolerieren.

Mehr Applaus als der PP-Vorsitzende Alberto Núñez Feijóo erhielt die Madrider Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso am Wahlabend zeigte die Sondersendung des TVE1. Das lag nicht nur daran, dass Madrid für Ayuso ein Heimspiel war. Mit ihrem aggressiven Politikstil, der stark an Donald Trump erinnert, begeistert sie seit zwei Jahren die Einwohner der Hauptstadtregion, in der die PP traditionell stark ist. Auch warf sie jüngst Sánchez persönlich Wahlbetrug vor. Der Parteivorsitzende Alberto Núñez Feijóo gab sich dagegen nach dem schonungslos geführten Wahlkampf bescheiden und staatstragend, appellierte an die Einheit der Spanier. Seit 13 Monaten an der Spitze der PP hatte er schon 2022 die absolute Mehrheit in Andalusien gewonnen. Dem Beispiel von Andalusien und Madrid würde Feijóo auch bei den Parlamentswahlen im Juli folgen, kämpft auch im nationalen Parlament für eine eigene Mehrheit.

Wie er es mit VOX halten will, das verriet Feijóo am Tag nach der Wahl nicht. Die zeigte, dass die PP am Ende auf die Rechtspopulisten angewiesen sein könnte: In Valencia, Kantabrien, Aragon, auf den Balearen und in der Extremadura brauchen die PP die VOX, um regieren zu können. Auch in vielen Kommunalparlamenten ist es der Fall, die VOX erhielt bei den Kommunalwahlen landesweit gut sieben Prozent der Stimmen, zog in alle Regionalparlamente ein. So verlangt der VOX-Vorsitzende Santiago Abascal selbstbewusst von der PP einen „nationalen Pakt“, um dann überall gemeinsam zu regieren. VOX sei zu einer „absolut entscheidenden Partei“ geworden, um die Linke abzulösen.

Die Angst vor der extremen Rechten hatte Sánchez bereits im Wahlkampf 2019 erfolgreich genutzt, hat damit die Unterstützung für seine Minderheitsregierung mobilisiert. Die Parteien links der Sozialisten, die Pedro Sánchez dringend für seine Wiederwahl braucht, stehen ebenfalls vor einem politischen Trümmerhaufen. Der PSOE-Juniorpartner Podemos hat überall verloren. In Madrid ist die Partei, die hier aus der Protestbewegung des 15M hervorgegangen, nach der Wahl weder im Stadtrat noch in der Regionalregierung vertreten. So löst die PP in der andalusischen Hafenstadt Cádiz im Rathaus den linksalternativen Bürgermeister ab. Besonders bitter ist der Ausgang der Wahl in Barcelona, hier hatte die PSOE auf einen Sieg gehofft. Es gewann der ehemalige Bürgermeister Xavier Trias, der für die Unabhängigkeitspartei „Junts“, der auch Charles Puigdemont angehört. Der Kandidat der PSOE Jaume Collboni kam auf Platz 2, die Amtsinhaberin Ada Colau, die Xavier Trias 2015 ablöste, nur auf den dritten Platz. Colau ist eine wichtigste Verbündete der Arbeitsministerin Yolanda Diaz von Unidos Podemos, die dabei ist, bietet mit ihrer neuen nationalen Plattform „Sumar“ eine weitere Linkspartei an. Nur reicht das? Die Rechten marschieren militärisch diszipliniert an die Wahlurnen, Klassensolidarität hat Franco sie gelehrt, der immer noch über Spanien schwebt.
khw