07.01.2020
Auf ein Neues - Alle guten Dinge sind 3


In Spanien scheint es, dass nach zwei Monaten nach der Parlamentswahl vom 10. November die Weichen gestellt sind, dass das Land Anfang Januar endlich eine Regierung bekommt. Am 30. Dezember präsentierte der amtierende Ministerpräsident Pedro Sánchez gemeinsam mit Pablo Iglesias von der Linkspartei Unidas Podemos (UP) ein Regierungsprogramm, das den Katalanen bei Verhandlungen über einen neuen Kompetenztransfer und allen Spaniern mehr soziale Gerechtigkeit in Aussicht stellt. Dafür musste Pedro Sánchez von der Partido Socialista Obreo Español (PSOE) bei seinen Verhandlungen mit UP-Generalsekretär Pablo Iglesias große Zugeständnisse an die Linkspartei machen, nachdem er bei den vorgezogenen Novemberwahlen nicht wie erhofft seinen Vorsprung hat ausbauen können. Mit der Krise, den sozialen Einschnitten und dem schlechten Krisenmanagement der Rechten in Andalusien - geführt von der Partido Popular, der Ciudadanos und der reaktionären VOX - hat das Land ein ganzes Jahrzehnt verloren, sagte klagend der UP-Generalsekretar bei der Vorstellung des Koalitionsvertrags.

Bei der Vorstellung des Regierungsprogramms sagte der amtierendes sozialistische Regierungschef Petro Sánchez: «Wir wollen dieses Land voranbringen, es soll besser werden, als es heute schon ist. Wir wollen die Digitalisierung der Wirtschaft vorantreiben, würdige Arbeit schaffen, angemessene Renten garantieren, eine gerechte ökologische auf den Weg bringen. Auch die Gleichstellung von Frauen und Männern garantieren und für soziale Gerechtigkeit sorgen.»

Zum Kernstück des 50-seitigen Programms gehört auch die Aufhebung der Arbeitsmarktreform für Unternehmern, die der konservative Vorgänger Mariano Rajoy 2012 durchgesetzt hatte. Vorgesehen ist auch eine Steuerreform, die Besserverdiener zur Kasse bittet. Im ihrem Maßnahmenpaket findet sich auch eine Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns von derzeit 900 auf 1200 Euro und endlich ein Kündigungsschutz für krankgeschriebene Arbeitnehmer. Auch gesellschaftspolitisch besteht für die neue Linkskoalition Handlungsbedarf, so soll die Gehaltslücke zwischen Männern und Frauen soll endlich geschlossen werden. Auch der Religionsunterricht an Schulen ist ab sofort kein Pflichtfach mehr an den Bildungsstätten in Spanien.

Zusammengefast erklärte Sánchez Euphorisch: «Die soziale Sicherheit ist der Impfstoff gegen die Rechtsradikalen, die Demokratie überall Europa bedrohen.»

Ein Kapitel im Programm ist dem Umgang mit Katalonien gewidmet. Die neue Koalitionsregierung verpflichtet sich zum Dialog und zu Verhandlungen, um eine politische Lösung für die schwelende Katalonienkrise zu finden. Dazu sagte der Infrastrukturminister José Luis Ábalos: «Wir müssen den Konflikt überwinden, daran muss auch die Bevölkerung beteiligt werden. Der Konflikt muss im Dialog gelöst werden.»

Die katalanischen Linksrepublikaner von der Esquerra Republicana de Catalunya (ERC), die dreizehn Abgeordnete im Madrider Parlament stellen, hält den Schlüssel für Sánchez Wiederwahl zum Regierungschef in der Hand. Die Enthaltung der ERC bei der Wahl ermöglicht der neuen Linkskoalition, das erstarkte rechte Lager im Parlament zu überstimmen.

Mit der Vorentscheidung des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) hatte er bereits in seinem Gutachten erklärt, dass der Vorsitzende der ERC Oriol Junqueras Immunität genießt, nicht in einem spanischen Gefängnis, sondern im Europaparlament sitzen sollte. Der Europäische Gerichtshof ist dem Gutachten gefolgt und bestätigt, dass Oriol Junqueras freigelassen werden muss. Damit wurde auch geklärt, dass der katalanische Exilpräsident Carles Puigdemont Immunität genießt, durch die «unabhängige spanische Justiz» auch in diesem Fall wie beim katalanischen Ex-Ministers Toni Comín wurde das Europarecht mit Madrider Juristentricks ausgehebelt. Das Gericht in Luxemburg befand, dass der spanische Staat gegen EU-Recht verstoßen habe, als er es dem inhaftierten ERC-Präsidenten Oriol Junqueras im Mai nicht erlaubt habe, sein Mandat in Brüssel anzutreten. Der separatistische Politiker habe nach der Wahl zum EU-Parlamentarier bereits Immunität genossen und hätte somit aus seiner Untersuchungshaft entlassen werden müssen, monierte der EuGH.

Oriol Junqueras, einst stellvertretender Ministerpräsident von Katalonien, war wegen seiner Rolle bei dem nach der spanischen Verfassung verbotenen Unabhängigkeitsreferendum zu 13 Jahren Haft verurteilt. Das Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien - katalanisch «Referéndum d'Autodeterminació de Catalunya» - fand am 1. Oktober 2017 statt, nach der erfolglos gebliebenen Volksbefragung von 2014.

Am 30. Dezember meldete sich ein Juristengremium, das die spanische Regierung berät, zu Wort, plädierte für eine vorläufige Haftentlassung von Junqueras. Spaniens Medien hatten in den letzten Tagen berichtet, die Sozialisten und die Linksrepublikaner hätten eine Einigung erzielt, die Sánchez' Wiederwahl garantiere. Laut der Zeitung «El País» muss der ERC-Parteivorstand aber Anfang Januar noch grünes Licht erteilen. Selbst dann bleiben die Mehrheitsverhältnisse im Parlament sehr fragil. Einen weiteren Verbündeten hat Sánchez in den baskischen Nationalisten von der PNV gewonnen, die sechs Abgeordnete im Parlament stellen.

Die konservative Opposition von Partido Popular, die geschrumpften Ciudadanos und der erstarkten rechtsradikalen VOX kritisierte Sánchez’ Regierungsprogramm lautstark. Der Sozialist habe, so Pablo Casado, Vorsitzender der Partido Popular, hat seine Landsleute getäuscht, hat einfach den Forderungen der Unabhängigkeitsbefürworter nachgegeben. Ins gleiche Horn tutet Álvarez de Toledo y Peralta-Ramos, 13. Marquise von Casa Fuerte, aus der Führungsriege der PP. Die Frau ist Leiterin der internationalen Abteilung der Stiftung «Fálisundación para el Análisis y los Estudios Sociales» die der PP nahesteht. Die stets stark polarisierende Politikerin, trat wegen der stetig nachgebenden Haltung vom Ministerpräsident Mariano Rajoy als PP-Kandidatin für das Parlament nicht mehr an. Die Frau bezeichnet und beschimpft die für die Unabhängigkeit eintretenden Parteien wie Personen als «Faschisten». Gleicher Wortwahl bedient sich Rosa Díez, ehemals Abgeordnete der von ihr gegründeten «Unión Progreso y Democracia» (UPyD - Union für Fortschritt und Demokratie) von 2008 bis 2016 im Parlament. Die politische Laufbahn begann Díez , sie wurde in Güeñes, Biskaya geboren, bei der PSOE, nach ihren Jahren bei der UPyD steht sie heute politisch bei der PP. Auch ihre Wortwahl im Kampf gegen die Katalanen ist aggressiv. Da ist die Wortwahl des Vorsitzenden der ultrarechten VOX, Santiago Abascal, der das Tun vom Ministerpräsident Pedro Sánchez als «Landesverrats» bezeichnet, noch harmlos.
khw

Demo am 1.10.2019 in Barcelona


Demo der VOX Partei in Madrid


Parlament Madrid - Cortes


Pedro Sánchez, PSOE und Pablo Iglesias, Podemos


Parlament vor der Abstimmung


Pedro Sánchez, PSOE, bei der Abstimmung


Pedro Sánchez - mit 2 Stimmen mehr: el presidente